Ich bin der Nowitzki des Footballs

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AppleHead

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Ich bin der Nowitzki des Footballs

von AppleHead am 03.01.2010 18:57

Sebastian Vollmer: Ich bin der Nowitzki des Footballs



Morgens um 5.30 Uhr weiß er, dass er es geschafft hat. Wenn Amerika noch schläft, klingelt bei Sebastian Vollmer (25) der Wecker. Dann beginnt die tägliche Schufterei in einem der härtesten Berufe der Welt: Football-Profi in der NFL. „Kurz nach sechs Uhr geht es im Kraftraum los“, erzählt Vollmer. „Um acht Uhr ist die erste Besprechung. Dann Training, Mittagessen, wieder Training und drei bis vier Stunden Video-Analyse.“

Zwischen 18 und 19 Uhr ist er zu Hause, studiert dann rund 600 Spielzüge seines Teams, der New England Patriots. „Gegen 20.30 Uhr gehe ich ins Bett. Freizeit habe ich eigentlich nie.“ Doch das hat er so gewollt – und es hat sich gelohnt.

Im größten Sportland der Welt war bisher Basketball-Gigant Dirk Nowitzki (31) unsere einzige Attraktion. Jetzt staunen die Amerikaner über das zweite deutsche Wunderkind: Vollmer, den 2,03-Meter-Schrank aus Kaarst bei Düsseldorf – unser Football-Nowitzki. Im Sommer wurde Vollmer als erster Deutscher überhaupt beim Auswahl-Verfahren der besten College-Spieler gedraftet – von den New England Patriots, dem Bayern München der Liga. Beim erfolgreichsten Team der vergangenen zehn Jahre wurde er sofort zum Shooting-Star, hat mit den „Pats“ gerade souverän das Ticket für das Play-off gelöst.

BILD am SONNTAG hat Vollmer in seiner neuen Heimat besucht. In Foxborough, einem Landkartenklecks mit 16 200 Einwohnern, 42 Kilometer südlich von Boston. Hier sieht Amerika aus wie in einem Bilderbuch: Die Stromleitungen hangeln sich von Haus zu Haus, vor jeder Holzhaus-Veranda weht eine US-Flagge. Hier lebt und leidet der Deutsche für seinen Traum: 80 Stunden schuftet Vollmer pro Woche – ohne zu klagen. Sein Coach liebt die „German Gründlichkeit“. Trainer-Legende Bill Belichick (57) schwärmt: „Sebastian arbeitet hart und hält den Mund. Er ist ein guter Junge.“ Ein Junge, an dem auf dem Platz niemand vorbeikommt. Vollmer ist Offensiv-Tackle.

Sein Job: Quarterback Tom Brady (32) beschützen, den Mega-Star im Milliarden-Geschäft Football. Den dreimaligen Super-Bowl-Sieger. Den Ehemann von Topmodel Giselle Bündchen, der im Jahr rund 14 Millionen Dollar kassiert. Vollmer erklärt: „Ich muss ihm Zeit für das Pass-Spiel verschaffen, Laufwege freiblocken, Gegner vom Hals halten. Es ist schlimmer, wenn der Quarterback verletzt wird, als wenn es mich selbst voll erwischt.“ Brady ist von seinem neuen, treuen Bodyguard begeistert: „Sebastian ist ein zäher Bursche. Er wird hier richtig durchstarten – und es wird nicht lange dauern.“ Die Anerkennung hat sich Vollmer hart erarbeitet. In jedem Spielzug riskiert er seine Gesundheit.

Mit rund 30 km/h wuchtet er seine 143 Kilogramm in die Gegner – als wenn er mit dem Kopf frontal in eine Wand rast. Kennt er keine Angst? Vollmer wiegelt ab: „Das Verletzungsrisiko ist Teil des Spiels. Ich denke darüber nicht nach. Wenn es passiert, muss man auf den Körper hören. Ihm auch eine Pause gönnen.“ In seiner Karriere gab es wenige Auszeiten. Mit 14 Jahren begann er bei den Düsseldorf Panther mit Football. Beim Schwimmen in der Trainingsgruppe mit dem späteren Weltmeister Thomas Rupprath hatte zuvor der Kick gefehlt: „Ich brauchte etwas Aufregenderes.“ Das hat er gefunden – und sein Talent wurde bald erkannt.

2003 rammte sich Vollmer bei einem Turnier mit dem Jugend-Nationalteam in den USA in die Notizbücher der College-Scouts. 2004 landete er auf der University of Houston in Texas. Mit zwei Koffern in den Händen und Sprachproblemen im Gepäck. „Es war nicht leicht“, sagt Vollmer. „Ich konnte nicht mal fließend Englisch. Football war wie ein Ventil für mich. Auf dem Platz hatte ich die Chance, das zu tun, was ich konnte. Das hat mir alles sehr erleichtert.“

Für sein neues Leben in den USA musste er sogar zunehmen, 25 Kilogramm hat das Kraftpaket seit seiner Ankunft zugelegt. Hamburger und fettiges Essen kommen aber selten auf den Tisch: „Ich esse normal, sportlergerecht: viel Proteine, morgens Müsli und ein paar Eier. Mittags Sandwich und Salat. Abends immer etwas mit Hühnchen.“ Das gibt Kraft: Beim Bankdrücken stemmt Vollmer die 100-Kilo-Gewichte 32-mal in die Luft.



Nach sechs Monaten fühlte er sich erstmals in den USA zu Hause: „Durch den Kontakt zu den neuen Kollegen und Freunden wurde es mit der Sprache immer besser. Irgendwann hatte ich es drauf. Ab da wurde es einfacher.“ Auch mit den Mädchen: Auf der Uni lernt Vollmer seine Freundin Lindsey kennen. Mit ihr wohnt er heute in Foxborough in einer bescheidenen Zwei-Zimmer-Wohnung – obwohl er bei den Patriots in den nächsten vier Jahren 3,1 Millionen Dollar (2,2 Mio Euro) verdienen kann und allein bei der Vertragsunterschrift 250 000 Dollar Bonus kassierte.

„Ans Geld habe ich aber keine Sekunde gedacht“, beteuert Vollmer. „Ich gehe auch nie groß einkaufen. Ich sehe überhaupt keinen Grund, meinen Lebensstil zu ändern. Ich lebe für Football, ordne dem alles unter. Mit Gottes Hilfe ist es bisher gut gelaufen. Der Glaube war mir immer wichtig, er ist durch den Sport noch intensiver geworden. Ich bete regelmäßig und meine Gebete wurden zum Glück erhört.“

Sein Erfolgsgeheimnis: „Man muss hart arbeiten und eine gewisse Intelligenz mitbringen, um das Spiel und Spielsysteme zu kapieren. Dazu athletische Fähigkeiten und mentale Stärke. Der Druck durch Öffentlichkeit, Trainer und Mitspieler ist hoch. Um das durchzustehen, braucht man eine dicke Haut.“ Die hat er nachgewiesen.



Er hat sich in der NFL festgebissen, seine Kollegen respektieren ihn. Und auch die Experten sind begeistert von ihm.
Wenn die Reporter nach den Spielen in die Mannschaftskabine dürfen, herrscht „Trubel-Bildung“: Vollmer steigt mit Handtuch um den Hüften in seine gefütterten Fell-Latschen (Größe 53) und greift nach seinen Klamotten (XXXL). Dutzende Journalisten drängeln sich um den halbnackten Riesen. Auf Angeber-Aussagen, die viele seiner Kollegen abliefern, warten sie vergebens. Vollmer: „Es ist egal, wie gut ich gespielt habe. Ich bin nie zufrieden mit dem, was ich gemacht habe. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich schon irgendetwas erreicht habe. Es gibt immer etwas zu verbessern.“ Sogar an Silvester. Den Start ins neue Jahr hat Vollmer verschlafen: „Ich war früh im Bett – und habe mich aufs Training vorbereitet.“

quelle: http://www.bild.de/BILD/sport/mehr-sport/2010/01/03/sebastian-vollmer/ist-der-nowitzki-des-footballs.html

Antworten Zuletzt bearbeitet am 03.01.2010 18:59.

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