American Football: Letzte Chance Deutschland

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AppleHead

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American Football: Letzte Chance Deutschland

von AppleHead am 08.09.2009 22:51

Interessanter Artikel:

American Football: Letzte Chance Deutschland
Von Moises Mendoza, Marburg/Weinheim




08. September 2009 Vor dem Heimspiel sitzt Sean Cooper in der kleinen Umkleidekabine in Marburg und isst ein Sandwich einer Fast-Food-Kette. Auf den Ohren hat er Kopfhörer. Cooper mag Hip-Hop aus seiner Heimat. Heimat, das ist Pittsburgh, Texas. Texas, das ist Football. In diesen Momenten verdrängt der Running Back alle Probleme. Denkt nicht darüber nach, dass er seit Jahren versucht, einen Arbeitsplatz in der National Football League (NFL) der Vereinigten Staaten zu finden. Blendet die Probleme aus, die er hat, sich an die fremde Kultur in Deutschland zu gewöhnen, Tausende Meilen von zu Hause entfernt. Vor allem aber denkt Cooper nicht daran, dass ihm die Zeit davonläuft. Er ist erst 23 - doch er hat nur noch ein paar Jahre, dann ist er zu alt für den Profi-Football in Amerika. „Ich will es schaffen. Unbedingt. I will make it.“ Cooper spielt für die Marburg Mercenaries in der German Football League (GFL).

Der Texaner hat Mitspieler in Marburg und Gegner in den anderen zehn Mannschaften der höchsten deutschen Spielklasse, die kühne Träume von einem Job in der NFL längst ausgeträumt haben. Sie wissen, dass sie nicht gut genug sind für das große Geschäft in ihrer Heimat. Sie spielen in Deutschland und genießen das Abenteuer. Aber die anderen, diejenigen, die Hoffnung haben, lassen wieder und wieder ihre Körper gegeneinander prallen, ohne dafür viel mehr zu erhalten als eine kleine Wohnung, drei Mahlzeiten am Tag und Versicherungsschutz. Sie hoffen, dass sie ihrer Karriere in der German Football League eine neue Richtung geben können. Zurück nach Amerika. Sean Cooper gehört zu ihnen.

Bis zu acht Amerikaner dürfen die Vereine nach dem GFL-Statuten unter Vertrag nehmen, sechs dürfen in jedem Spiel eingesetzt werden, aber nur zwei dürfen zur gleichen Zeit auf dem Feld spielen. Viele der jungen Amerikaner kommen von kleineren Colleges und hoffen darauf, ihre Karriere in Deutschland irgendwie zu verlängern. Deutschland ist ihre letzte Chance.

Weinheim statt NFL Europe

Doch in Deutschland spielen auch jene, die schon einmal glaubten, es in ihrer Heimat geschafft zu haben. James Taylor zum Beispiel war Cornerback bei den Green Bay Packers, einem der berühmtesten Profiteams der Vereinigten Staaten. Danach spielte er bei den New York Jets und schließlich in der NFL Europe bei Frankfurt Galaxy. Doch die NFL Europe gibt es nicht mehr. Die Marketingprofis der NFL sehen größere Chancen in China und in Großbritannien. Sie lassen amerikanische Mannschaften im Wembley-Stadion Spiele austragen.

lso spielt Taylor jetzt in Weinheim bei den Longhorns. Es ist ein Absturz. „Das hätte ich mir nie vorstellen können, dass ich hier einmal spielen würde. Never.“ Aber er hat noch nicht aufgegeben. Im August war er zurück in Amerika zum Probetraining bei einem Team der neugegründeten United Football League. Sollte er nicht genommen werden, will er es in Kanada versuchen. Klappt das nicht - nicht darüber nachdenken. „Dazu ist keine Zeit“, sagt Taylor.

Es gibt Gegenbeispiele. Der Deutsche Markus Kuhn hat in Weinheim gespielt und wurde von einem großen amerikanischen College verpflichtet. Aber die Wahrscheinlichkeit ist gering, sehr gering. „Ich sage meinen Jungs, dass aus ihren Plänen wahrscheinlich nichts wird“, sagt Shawn McBrayer, der Trainer der Weinheim Longhorns. McBrayer hat diese Erfahrung selbst gemacht: Er kam 2003 nach Deutschland, war 32 Jahre alt. Und träumte davon, noch einmal Geld zu verdienen in Amerika, in der Profi-Hallenfootball-Liga. Er ist immer noch in Deutschland - seit 2003.

„Ich hatte hier die besten Jahre meines Lebens“

Tony Chesney ist die Sache anders angegangen. „Als ich nach Marburg kam, wusste ich: Das war's mit der Football-Karriere.“ Ihm sind sofort die Unterschiede aufgefallen: An amerikanischen Colleges wird den Spielern alles abgenommen, vom Ausarbeiten des Stundenplans bis zum Putzen der Schuhe. In Marburg putzt der 25 Jahre alte Chesney selbst.

Er mag Deutschland. Er mag die Autobahnen, er hat eine deutsche Freundin gefunden, er hat ein bisschen Deutsch gelernt. Und wenn er nach Amerika zurückkehrt, dann um Polizist zu werden. „Und auch dann wird ein Teil meines Herzens immer an Deutschland hängen. Ich hatte hier die besten Jahre meines Lebens. Weil ich wusste: Profi werde ich nicht mehr.“

Coopers Hoffnung

Sean Cooper sieht sich auf einem anderen Weg. Er wird es zu den Profis schaffen. Das sagt er sich ständig. „Ich bin so nah dran, ich kann es schon riechen.“ Er gibt nicht auf. 2008 kam Cooper nach Deutschland, vorher hatte er die Vereinigten Staaten nie verlassen. In der High School hat er Rekorde aufgestellt. Auf dem College, einem kleineren in Oklahoma, war er der „Top rushing threat“, einer der schnellsten Spieler seiner Spielklasse. Doch die großen Ligen wollten ihn nicht. Er ist nur 1,70 Meter groß. Marburg war seine letzte Chance, eine mit seltsamer Sprache und gewöhnungsbedürftigem Essen, mit ewig langen Tagen, weil er keinen Job hat, keinen Job außer dem Football.

n diesen langen Stunden stemmte Cooper Gewichte und dachte nach, plante seine Karriere. Er wurde zu einem der besten Spieler der GFL. Es gibt Leute, die ihn für den Besten halten. Er sagt, jetzt gefalle es ihm in Deutschland: „Anderen Leuten in meiner Lage würde ich raten, nach Deutschland zu kommen.“ Cooper telefoniert jeden Tag mit Freunden. Mit seiner Familie in Texas. Texas, das ist Football. Er sagt ihnen, dass er es im kommenden Jahr mit Sicherheit schaffe. In Kanada. In der Canadian Football League - von dort sei es nur ein kleiner Schritt zur NFL. Dort gebe es tausend Möglichkeiten.



Text: F.A.Z.
Bildmaterial: Moises Mendoza

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Marzipan

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Re: American Football: Letzte Chance Deutschland

von Marzipan am 09.09.2009 16:52

Ich find´s extrem traurig.

Einerseits für die Jungs aus Übersee, die ausser Football nichts an der High School gemacht haben, und dann über Europlayers.com nach Deutschland kommen, um hier dann im schlimmsten Fall zu stranden.
American Football ist eine Randsportart (glücklicherweise), und keiner macht hier die wirklich große Kohle.
Ausser vielleicht Mr. Anderson von den Baltic Hurricanes, oder Mr. Jenkins von den Falcons, ... für den sogar Herr O. einen Paycut in Kauf nimmt.

Andererseits ist noch trauriger, daß viel zuwenig Vereine ihre eigene Zukunft durch stete Jugendarbeit festigen, und statt dessen ... Nomen est Omen, wie im Fall der Mercenaries, lieber ihr Geld für Imports ausgeben.

An der Stelle ein echtes Lob an die Vereine mit GFL-Juniors, die haben es verstanden daß man mit einem guten Programm, guten Coaches und hoher Trainingsqualität langfristig mehr erreicht, als im Internet nach neuen Spielern zu suchen.

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